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Warum Selfpublishing?

Aktualisiert: 13. März 2022

Warum ich mich dagegen entschieden habe, mein Buch einem Verlag anzubieten...

Wenn man sein Buch selbst verlegt, ist man als Autor verbrannt. Dieser Überzeugung war ich lange Jahre. Ich hatte schon ewig überlegt, dass ich Bücher schreiben möchte, hatte aber immer das Gefühl, dass ich die nur für die Schublade verfassen würde. Einen Verlag zu finden, erschien mir und erscheint mir noch wahnsinnig schwierig. Würde ich jemals gut genug oder relevant genug sein für einen Verlag? Das hat mich auch stets so beschäftigt, dass ich nie richtig über grobe Fassungen von einigen Kapiteln bei meinen Buchideen hinausgekommen bin.

Bis ich bei der Online Autorenmesse 2019, präsentiert und organisiert von Jurenka Jurk, einen tieferen Blick in die Parallelwelt des Selfpublishings werfen durfte. Plötzlich erschlossen sich mir neue Möglichkeiten. Die Vielzahl der Dienstleister, die sich mittlerweile auf die Indie-Autoren spezialisiert haben, und deren nutzbares Knowhow, hat bei mir für neue Motivation gesorgt. Und schwupps (also 1 Jahr später) war mein erster Roman fertig geschrieben. Mit Hilfe von professionellen Dienstleistern (Lektorin, KorrektorInnen, Designerin, Distributor usw.) konnte ich dann tatsächlich im Dezember letzten Jahres mein erstes eigenes, gedrucktes Buch in den Händen halten und in die Welt entlassen. Ohne Verlag. Und zwar ganz bewusst so entschieden. Warum?

 

1. Professionalisierung der Dienstleister

Selfpublishing ist von einer Randerscheinung mutmaßlich gescheiterter AutorInnen zu einem professionellen Business herangewachsen. Die für und als Selfpublisher tätigen LektorInnen, KorrektorInnen, BuchsetzerInnen, DesignerInnen, AutorInnen und Distributoren stehen ihren VerlagskollegInnen in nichts nach. Oft ursprünglich in einem Verlag tätig gewesen, haben sich viele in der Branche, vor allem seit der Markteroberung des Ebooks, unabhängig von Verlagen gemacht. Verlagsqualität ist nun also auch verlagsunabhängig zu haben.

 

2. Mehr Kontrolle und Selbstbestimmung

Ein Verlag ist natürlich gewinnorientiert und das muss er auch sein. Als Autor ist man Teil dieses Systems. Gut verkauft sich, was der Markt will. Und das entspricht oft nicht den Vorstellungen des Autors.

Wenn man als Autor also über alles (Cover, Klappentext, Marketing, Veröffentlichungsweg, Veröffentlichungszeitpunkt, Genreausrichtung, Schreibstil usw.) die Kontrolle behalten will, für den ist Selfpublishing mittlerweile ein guter Weg geworden.

 

3. Mehr Flexibilität

Ich will mich als Autorin nicht an ein bestimmtes Genre binden. Sicherlich muss ich dabei auch immer meine Marke als Autorin im Blick behalten und sollte nicht mit meinem Eigennamen Erotikromane, Kinderbücher, Thriller und Romance vermischt veröffentlichen. Viele KollegInnen schreiben daher unter verschiedenen Pseudonymen. Auch das geht im Selbstverlag deutlich einfacher, weil keine Vertragsverhältnisse bestehen, die etwas vordefinieren.

Was mich besonders reizt am Selfpublishing, ist, dass ich auch innerhalb oder zwischen Genres experimentieren kann. Wenn ich das will. Sich mit Genremix (vor allem innerhalb einer Erzählung) zu etablieren, ist schwierig, aber durchaus machbar, wie koreanische Dramaserien beweisen. Aber das soll Thema eines anderen Blogbeitrags sein :-)

Die Literaturwissenschaft und auch der Buchmarkt lieben klare Linien, Strukturen, Definitionen. Dem folgen natürlich die Verlage. Aber es ändert sich etwas. Das Selfpublishing verwischt Grenzen, überschreitet sie. Das ist unheimlich reizvoll.

 

4. Preisbestimmung und Gewinnmarge

Im Eigenverlag bestimme ich den Preis meines Buches und meine Gewinnmarge selbst. Oftmals sind Selfpublishing-Werke deutlich günstiger als die Verlagstitel. Die Torte muss einfach nicht in so viele Stücke aufgeteilt werden. Allerdings darf man als Indie-Autor auch nicht die vorgeleisteten Zahlungen an LektorIn, KorrektorIn, DesignerIn usw. und vor allem die eigene Arbeitsleistung ungeachtet lassen, wenn man den Buchpreis festlegt. Das relativiert die vergleichsweise hohen Gewinnspannen natürlich wieder deutlich. Man sollte sich nicht unter Wert verkaufen.

 

5. Kein Vertragsdruck und freie Zeiteinteilung

Wenn man nicht an einen Vertrag mit festgelegten Zeitschienen und Deadlines gebunden ist, kann man schreiben, wann man mag. Und so viele Veröffentlichungen in eigens festgelegten Zeiträumen planen, wie man mag. Naja, eigentlich.

Dieser Punkt gilt natürlich nur, wenn man als Selfpublishing-AutorIn nicht davon leben will oder muss. Der Veröffentlichungsdruck für Indie-AutorInnen mit dem Schreiben als Broterwerb ist wahnsinnig hoch. Ist man darauf nicht angewiesen, kann alles nach dem eigenen Rhythmus (und den finanziellen Möglichkeiten) geschehen. Und das hat was Befreiendes.

 

6. Schnellere Veröffentlichungen

Die Suche nach einem Verlag und/oder Agenten kann mitunter extrem viel Zeit in Anspruch nehmen. Auch bei KollegInnen, die letztlich bei Verlagsbewerbungen Erfolg hatten, gingen oft Jahre ins Land von der ersten Bewerbung bis hin zum Vertrag. Aber auch mit Vertrag kann es oft noch lange dauern, bis das eigene Buch im Verlagsprogramm seinen Platz bekommt. Gerade die Coronazeit hat viele Verlagsprogramme zeitlich immens verzögert. Wer nicht die Ausdauer oder Geduld hat, muss es eben selbst machen.

Wenn man also bedenkt, wie viel Zeit oft verstreicht zwischen der Buchidee und der Veröffentlichung im Verlag (bezogen auf relativ unbekannte AutorInnen), ist die Veröffentlichungsrate bei Selfpublishing-AutorInnen ungleich höher.

 

7. Nachhaltige Veröffentlichung

Zumeist, wenn man mit bestimmten Distributoren zusammenarbeitet, werden keine Exemplare vorgedruckt. Gedruckt und geliefert wird nur, was tatsächlich bestellt wurde. Es muss nichts gelagert und auch keine Restbestände müssen vernichtet werden. Das macht Veröffentlichungen über Print-on-Demand-Anbieter zusätzlich interessant.

 

8. Unbegrenzte Auflagen

Will man etwas überarbeiten am bereits veröffentlichten Buch ist das als Indie-Autor kein Problem. Man will nach Jahren nochmal eine alte Veröffentlichung auflegen? Warum nicht. Vielleicht finden sich ja jetzt neue Leser.

 

9. Horizonterweiterung

Also ich beschlossen hatte, meinen ersten Roman tatsächlich fertigzustellen und zu veröffentlichen, war mir nicht klar, in welche Themen ich mich dazu würde einlesen müssen. Steuer für AutorInnen, Buchhaltung, Lektorat, Marketing, Webseitenerstellung, Datenschutz, Distributorenverträge, SocialMedia-Präsenz, Zeitmanagement, Marktanalyse, Werbemittel, Grafikprogramme und so vieles mehr.

Man ist als Indie-AutorIn ein kleines Unternehmen. Sehr oft muss man die Kreativität bei Seite legen und sich mit den, durchaus nicht immer, trockenen Themen der Eigenvermarktung und Unternehmensgestaltung beschäftigen. Neben all der Recherchearbeit für die Romane, die Fachliteratur über das Schreiben und der intensiven Beschäftigung mit Sprache und deren Wirkung erweitert man mit den Themen rund um die Selbstständigkeit seinen eigenen Horizont ungemein. Wenn man dazu bereit ist und sich davon nicht abschrecken lässt, kann das durchaus Spaß machen.

 

10. Die Eigenmarke

Der letzte Punkt auf meiner Liste ist die Eigenmarke. Sie selbst kreieren zu können ist großartig. Ich selbst kann zum Markenzeichen werden. Ich stelle mir das als VerlagsautorIn im unteren bis mittleren Segment der Bedeutsamkeit innerhalb eines Verlags unheimlich schwierig vor.

Ich habe mich z. B. für bestimmte Farben entschieden, die in meinem Logo, der Webseite und auch meinen Covern, wenn auch in unterschiedlichen Variationen, präsent sein sollen. Als Wiedererkennungswert. Die erfolgreichsten Selfpublishing-AutorInnen haben starkes Wiedererkennungspotential durch eine starke Marke. Wer das z. B. ganz großartig macht, ist die Autorin Poppy J. Anderson, die wohl erfolgreichste deutsche Indie-Autorin.

 

In den USA ist Selfpublishing mittlerweile auf dem Buchmarkt in seiner Relevanz gleichzusetzen mit Verlagserscheinungen. Bei uns zu Lande ist man noch stark mit den gängigen und vertrauten Strukturen eines verlagsdominierten Buchmarktes verhaftet. Verlage verlieren durch den auf Selfpublishing erweiterten Buchmarkt auch nicht an Bedeutung. Sie behalten ihre Daseinsberechtigung. Sie sind wichtig für den Buchmarkt.

Als Indie-AutorIn ist man im deutschsprachigen Raum grundsätzlich nicht so hoch angesehen wie Verlagsautoren. Verlagsautoren haben mit dem Verlagsvertrag eine unheimlich hohe Hürde bereits genommen, bevor sie ihr Buch in die Welt bringen konnten. Sie wurden aus einer unendlichen Zahl an Bewerbungen ausgewählt. Das allein ist schon ein riesiges Kompliment an ihre Fähigkeiten. Aber es gibt noch so viel mehr, nicht minderbegabte AutorInnen, die dieses Glück nicht haben. All jenen kann Selfpublishing eine Möglichkeit bieten. Und denen, die einfach eine positivere Bilanz aus dem Vergleich Selfpublishing vs. Verlag ziehen können.

Natürlich gibt es auch zahlreiche Punkte, die gegen eine Veröffentlichung im Selbstverlag sprechen. Auch die will ich nicht unterschlagen. Diese werde ich in einem eigenen Beitrag in Melli's Bloghaus besprechen.


Bis dahin,

bleibt gesund!

Eure







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