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Dieser eine Stern …

Mit negativen Reaktionen umgehen

Es ist geschehen. Das Krönchen sitzt schief. Die lange gefürchtete und beinahe herbeigesehnte 1-Sterne-Bewertung auf Amazon ist passiert. Endlich, muss ich ehrlich zugeben. Ich bin zu selbstkritisch, um das nicht erwartet zu haben. Fast acht Monate hat es gedauert. Nachdem im Frühjahr ein Artikel in der Lokalzeitung über das Buch herausgekommen ist, hat das die Verkaufzahlen in jedem Fall angehoben. Damals hab ich mich zwar darüber gefreut, aber eben auch immer gedacht: Je mehr Leute das Buch lesen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass es jemand scheiße findet. Immer wenn ich irgendwie mein Buch beworben habe, schwang dieser Gedanke mit.

 

Eine 2-Sterne-Bewertung hatte ich schon länger. Mit der konnte ich ganz gut leben. Das hieß schließlich sowas wie: Naja. War ok, aber eben nicht mein Genre, meine Geschichte, mir hat was gefehlt usw. Das kann mal voller Verständnis im Hinterstübchen unter 'Leider nicht der passende Leser' ablegen.

Aber der eine Stern, der nagt. Der lässt einen das gesamte Unterfangen des Schreibens an sich hinterfragen. Taugt das alles doch nichts? Hab ich jemanden beleidigt mit einer Figur oder so? Ist mein Schreibstil doch nicht gut? Hab ich das falsche Genre gewählt? Ist meine Geschichte wirklich so vorhersehbar und langweilig? Mag mich jemand nicht?

 

Ich schreib gerade an einem zweiten Buch. Seit ich gestern den einen Stern gesehen habe, passiert in der Hinsicht gar nichts mehr. Die gesamte Motivation ist verraucht. Zurückgeblieben sind die Zweifel, ob das alles nicht doch Zeitverschwendung ist. Wenn es den Leuten nicht gefällt, was macht das für einen Sinn?

Dann habe ich mich in den Bewertungen meiner Lieblingsbücher auf Amazon verloren. Eines meiner Lieblingsbücher 'Limit' von Frank Schätzing wird zum Beispiel sehr kontrovers diskutiert. Auch 'Der Schwarm' hat negative Bewertungen. So wie die allermeisten Bücher. Auch der ganz großen Autoren. Es gibt immer die, deren Geschmack getroffen wurde und die, bei denen das komplett in die Hose gegangen ist.

 

Während meiner Studienzeit habe ich eine ganz ähnliche Erfahrung gemacht. Ich hatte mündliche Abschlussprüfung. Mein Professor für Pädagogik hat mir in der Prüfung bei ihm ein Kompliment dafür ausgesprochen, dass ich komplizierte Sachverhalte in einer verständlichen Sprache formuliert habe. Es ginge schließlich darum, anderen etwas beizubringen, anderen unser Wissen zu vermitteln, teilhaben zu lassen. Was nütze es da, wenn man nur von Fachpublikum, dass das eh schon weiß, verstanden wird. Wow, hab ich gedacht. Tolles Lob!

Dann bin ich ein paar Tage später in die Prüfung zu Neuerer Deutscher Literatur gegangen. Dort kehrte sich die Situation komplett um. Ich versuchte, Renate Lachmanns Theorien zur Intertextualität verständlich zu erklären. Aber ich bekam kaum die Gelegenheit auszusprechen. Rüde wurde ich unterbrochen und nach Fachbegriffen gefragt. Beim nächsten Thema war es das gleiche. Schließlich war ich so verunsichert, weil ich keinen Gedanken komplett ausführen durfte, dass ich kurz vor dem Blackout stand. Die Beisitzerin hat mich dann gerettet und gemeint, ich hätte das doch gewusst. Für den Germanistikprofessor war ein wissenschaftlicher Diskurs nur mit, für außenstehende unverständliche, beinahe elitäre Sprache möglich. Mittlerweile und mit deutlichem zeitlichen Abstand könnte ich ihm sicherlich darauf eine Antwort geben. Nämlich, dass in meinen Augen der Pädagogikprofessor Recht hatte. Die Wissenschaft, egal in welchem Bereich, arbeitet nicht für sich, sondern für die Gesellschaft. Andere durch elitäres Gehabe daraus auszuschließen, ist genau der falsche Weg. Natürlich sind begriffliche Abgrenzungen und Definitionen wahnsinnig wichtig, um überhaupt Diskussionsgrundlagen zu haben, aber wenn es darum geht, Wissen zu vermitteln, ist das kontraproduktiv. Und eben nicht meine Welt.

 

So bekommt man oft Lob und Kritik zur selben Sache. Wie soll man sich dann verhalten? Ich habe meine Überzeugung aus der Pädagogik beibehalten. Das erscheint mir, zum einen sinnvoller, zum anderen liegt es mir mehr. Und so werde ich diese Erfahrung mit dem einen Stern ebenfalls ablegen. Ist halt nicht so das Ding für diese Person gewesen. Schade. Aber diese Person fällt schon mal bei meinen nächsten Büchern raus. Die, denen es gefallen hat, werden mit erhöhter Wahrscheinlichkeit wieder zu einem meiner Bücher greifen. Und für die schreibe ich schließlich. Um das dafür treffendste Bild herzunehmen, das viele Schreibratgeber, Blogs und Zeitschriften bemühen: Krönchen richten, weitermachen!






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